Englisch ja - Minderheitensprachen nein: Stellungnahme des Minderheitenrates zum Gerichtsverfassungsgesetz
18.10.2024
18. Oktober 2024 - Der Minderheitenrat der vier autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen Deutschlands sieht in der derzeitigen Regelung des Paragraphen 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes ein erhebliches Defizit in Bezug auf die sprachliche Gleichstellung der anerkannten Minderheiten. Es ist bedauerlich, dass es Minderheitenangehörigen nicht möglich ist, vor Gericht Dokumente in ihren Sprachen – Dänisch, Nordfriesisch, Saterfriesisch und Niederdeutsch – einzureichen, ohne auf eigene Kosten Übersetzungen anfertigen zu lassen. Dies stellt eine unnötige Hürde dar und widerspricht dem Anspruch auf Gleichberechtigung, die im Rahmen der deutschen Minderheitenpolitik geschützt werden sollte.
Nur die Lausitzer Sorben haben in ihren Heimatkreisen in Brandenburg und Sachsen das Recht, vor Gericht ihre Sprache zu sprechen und Dokumente in ihrer eigenen Sprache einzureichen. Die Kosten für notwendige Übersetzungen müssen nicht selbst getragen werden.
Es ist zu bedauern, dass die aktuelle Bundesregierung Bestrebungen auch den anderen anerkannten Minderheiten in Deutschland das Recht auf die Nutzung ihrer Sprachen vor Gericht zu gewähren, nicht unterstützt. Während Englisch neu als Gerichtssprache zugelassen wurde, bleiben die autochthonen Minderheitensprachen weiterhin außen vor. So wurde in dem jüngst verkündeten Justizstandort-Stärkungsgesetz der Paragraph 184 des GVG um die Möglichkeit erweitert, Englisch als Gerichtssprache zu nutzen. Es stellt sich die Frage, auf welcher argumentativen Grundlage diese ungleiche Behandlung zwischen den anerkannten Minderheitensprachen und der Regionalsprache und der Fremdsprache Englisch erfolgt ist.
Der Minderheitenrat ist der Meinung, dass die Einführung aller anerkannten Minderheitensprachen und der Regionalsprache Niederdeutsch an den jeweiligen Gerichten in den Siedlungsgebieten einen großen Schritt für die Gleichbehandlung der Minderheiten darstellt. Das Beispiel der Lausitzer Sorben zeigt, dass die Umsetzung möglich ist.
Eine Harmonisierung von Paragraph 184 GVG mit den Verpflichtungen aus der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wäre ein bedeutender Schritt hin zu einer umfassenden sprachlichen Gleichstellung und würde das reiche kulturelle Erbe der Minderheiten in Deutschland weiter stärken.
(Quelle: Minderheitenrat, 18.10.2024)