Meet the Innovators: Dr. Jörg Hübner über den Einsatz von Videospielen zur Förderung der sorbischen Sprache

13.11.2024

Treibende Kräfte in der Digitalisierung der sorbischen Sprache: Dr. Jörg Hübner als Leiter der Projektgruppe Rapaki hat mit seinen Mitstreitern interaktive Videospiele wie „Krabat und das Geheimnis des Wendenkönigs“ entwickelt, die auf kreative Weise das Interesse am Sorbischen wecken und fördern. In diesem Interview spricht Dr. Jörg Hübner, der auch als Redner beim bevorstehenden 8. Forum der Europäischen Minderheitenregionen (26.–27. November 2024 in San Sebastián/Donostia, Baskenland) auftreten wird, über seine Leidenschaft, die sorbische Sprache durch digitale Medien zu bewahren, die Herausforderungen dabei und die Rolle von Videospielen und Technologie für die Revitalisierung von Minderheitensprachen.

Herr Dr. Hübner, könnten Sie uns zunächst darlegen, was Sie erarbeitet haben?
Als Projektgruppe „Rapaki“ (Sorbisch für „Raben“) haben wir im Auftrag der Stiftung für das sorbische Volk zwei Videospiele rund um die bekannte Sagenfigur Krabat entwickelt. Das erste Spiel erschien 2001 auf CD-ROM und war zugleich das erste digitale Spiel, das „von Sorben für Sorben“ entstand. Im Jahr 2015 erschien mit „Krabat und das Geheimnis des Wendenkönigs“ ein Nachfolger für Windows PC. Seit 2019 ist diese zweite Spieleveröffentlichung für mobile Geräte wie Smartphones und Tablet-PCs in den jeweiligen App-Stores von Apple und Google mit sorbischer Sprachausgabe und einer deutschen sowie englischen Textversion erhältlich. Die Spiele selbst sind vergleichbar mit einem interaktiven Zeichentrickfilm, in dem es im Rahmen einer spannenden Geschichte vielfältige Aufgaben und Rätsel zu lösen gilt.

 

Wer sind die Raben beziehungsweise Rapaki?
Hinter dem Teamnamen verbirgt sich eine Gruppe von sechs ganz unterschiedlichen Köpfen, die sich zum Teil schon seit der Schulzeit kennen. Dabei sind wir kein Unternehmen aus der Computerspielbranche – beide Spiele wurden nebenberuflich mit viel Enthusiasmus und Herzblut in der Freizeit entwickelt. Das spiegelt sich auch in der sechsjährigen Entwicklungszeit von „Krabat und das Geheimnis des Wendenkönigs“ wider – viele Nachtschichten inklusive.  

 

Was hat Sie angetrieben, die sorbische Sprache in Ihrem Projekt zu unterstützen?
Sorbisch ist unsere Muttersprache. Da liegt es nahe, auch ein Spiel in dieser Sprache zu entwickeln, zumal es in diesem Umfang und mit diesem Entwicklungsaufwand nichts Vergleichbares in sorbischer Sprache gab und gibt. Uns hat diese Pionierarbeit sehr viel Spaß gemacht und wir haben damit auch ein Stück digitale Geschichte geschrieben. Trotz der enormen Komplexität der Entwicklung war es auch immer unser Anspruch, ein qualitativ hochwertiges Spiel zu schaffen. Das heißt, das Drehbuch, die Grafik, das Sounddesign, die Sprachaufnahmen sowie die gesamte technische Umsetzung sollten trotz der Freizeitarbeit professionellen Maßstäben genügen. Viele positive Kritiken von Spielerinnen und Spielern aus aller Welt sowie von Fachmedien zeigen, dass wir diesem selbst gesteckten Ziel sehr nahe gekommen sind. 

Wie wichtig sind Videospiele für den Erhalt und die Verbreitung von Minderheitensprachen?
Grundsätzlich macht eine spielerische Annäherung an Kultur, Kunst, Geschichte oder Sprache allen Altersgruppen einfach Spaß und ist daher ein enormer Motivationsfaktor. Bei Videospielen kommt der interaktive Aspekt hinzu, der zudem verschiedene Sinne anspricht. All dies sind Treiber, die einerseits Neugier auf Sprache wecken und andererseits zur Revitalisierung von Sprache beitragen können. Hinzu kommt, dass von der angesprochenen Pionierarbeit auch Impulse für die Entwicklung der Sprache selbst ausgehen. So mancher Fachbegriff aus der IT-Welt hat unser ober- und niedersorbisches Lektorat vor allem beim ersten Krabat-Spiel gefordert.    

 

Wie hat sich das Interesse an der sorbischen Sprache durch Ihr Projekt entwickelt?
Was wir an konkreten Zahlen sehen können, sind die weltweiten Abrufe des Spiels auf den jeweiligen Plattformen. Neben Deutschland sind die USA, Brasilien, Vietnam oder auch Südafrika nur einige Beispiele für Länder, in denen Krabat (mit sorbischer Sprachausgabe) gespielt wird. Hier hat uns vor allem die englische Textfassung sehr geholfen, dieses breite Interesse zu wecken. Aber auch im Kleinen können wir beobachten, dass das Spiel ganze Familien vor dem Bildschirm zusammenbringt, um gemeinsam zu tüfteln und zu rätseln, um die Geschichte voranzutreiben.    

 

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Digitalisierung bei der Revitalisierung von Minderheitensprachen?
Die Digitalisierung bietet hier sehr große Chancen, da relevante, informative oder auch unterhaltende Inhalte sehr schnell, direkt, ohne große Hürden und mit einer enormen Skalierung die Zielgruppen beziehungsweise die Nutzerinnen und Nutzer erreichen können. Mit dem Smartphone beispielsweise hat fast jeder ein digitales, vernetztes Kommunikationsgerät in der Hand, das nahezu universell im Alltag genutzt wird.  

 

Was können andere Gruppen, die Minderheitensprachen sprechen, von Ihren Projekten lernen?
Vor allem die Planungs- und Organisationsprozesse sind wichtige Punkte, um ein Projekt dieser Größenordnung zu stemmen. Hier haben wir viele Erfahrungen sammeln können. Außerdem braucht es starke, verlässliche und vertrauenswürdige Partner, wie für uns die Stiftung für das sorbische Volk, um über diesen langen Projektzeitraum das Ziel der Veröffentlichung zu erreichen. Sechs Jahre Entwicklung sind eine sehr lange Zeit mit vielen Höhen und Tiefen. Hier ist der unbedingte Wille und das Durchhaltevermögen aller an diesem Projekt Beteiligten gefragt. 

Weiterführende Informationen:

  • „Krabat und das Geheimnis des Wendenkönigs“ zum Download im Apple Store
  • „Krabat und das Geheimnis des Wendenkönigs“ zum Download im Google Play Store
  • Rapaki.de: Erfahren Sie mehr über die Arbeit der Projektgruppe Rapaki.
  • Sorbisch? Na klar.: Onlineportal, das Einblicke und Themen rund um die sorbische Sprache und Kultur bietet